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Das Lokomotiv-Portrait: Kriegslokomotiven der Reihen 42 und 52 in Polen
(Aus Tripod und Geocities von 2002 reaktiviert, Thema wird später weitergeführt)

Bei Kriegsende verblieben auch eine große Zahl Kriegslokomotiven der Reihe 52 im neu gegründeten Polen, wobei die Bewegung im Bestand erheblich war und in großen Teilen nicht mehr nachvollzogen werden kann. Die sowjetrussische Besatzungsmacht fuhr – anfangs überwiegend regellos – Maschinen ab aber auch aus anderen Besatzungsgebieten zu. Selbst an den neu in jetzt polnischen Fabriken erbauten 42 und 52 bediente sie sich. Diese sehr komplexe Materie kann im Rahmen unserer kurzen Darstellung natürlich nicht abgehandelt werden. Sie würde nicht nur ein dickes Buch, sondern ein halbe Lexikothek füllen, die noch niemand geschrieben hat und angesichts der zu erwartenden geringen Auflagen auch keiner mehr schreiben wird. Hinzu kommt, dass neben den behindernden Querelen der „Eisenbahnfreunde“ untereinander auch zu viele Primärquellen (Quellen erster Ordnung) fehlen bzw. nicht ausgewertet wurden. Ich denke hierbei nur an die Vielzahl polnischer Ty2- und Ty42-Betriebsbücher, denen sich bis heute keiner ernsthaft in Bezug auf eine gründliche Auswertung angenommen hat.
Die polnische Staatsbahn soll nach polnischen Quellen zum Jahreswechsel 1946/47 insgesamt 1179 Lokomotiven der Baureihe 52 im Bestand gehabt haben. Eine Zahl, die sich hier nicht nachprüfen lässt. Dem steht dagegen, dass Anfang Januar papiermäßig nur die Nummern Ty 2-1 bis 1169 vergeben und aus dem genannten Nummernbereich einige Maschinen von den Sowjets bereits außer Landes gebracht waren. Die Zahl 1179 könnte jedoch für den Fall stimmen, dass diverse nie zur Umzeichnung vorgesehene Kriegsschadlok mit berücksichtigt wurden.
Am 01.09.1946 stellte die PKP auf sowjetische Weisung und unter Leitung der russischen Militärtransportverwaltung Zählzone Przemysl einen Umzeichnungsplan aller deutschen Dampflokomotiven auf, die bahnamtlich erfasst und als Bestand der polnischen Staatsbahnen angesehen wurden. Hier enthalten sind selbstverständlich die Maschinen Ty2-1 bis Ty2-838 des sogenannten „freien Verkehrs“. Unter ihnen befanden sich auch 13 Kondenslokomotiven, die vermutlich allesamt abgestellt waren. Dieser Plan wurde durch Erlass des polnischen Verkehrsministeriums Warschau unter Aktenzeichen VI-200-157-46 am 18. November 1946 in Gültigkeit gesetzt und im Anschluss Zug um Zug in den Eisenbahndienststellen umgesetzt. Er betraf wie erwähnt jedoch nur die Lok des sogenannten „freien Verkehrs“, über die die PKP ohne Einschränkungen disponieren konnte. Die eigentliche Umzeichnungsanweisung für die einzelnen Dienstorte erging einen Monat später am 18.12.1946, schloss aber ausdrücklich neben den vormaligen USA-Lokomotiven die Fremdlokomotiven aus. Wenig später, zum 03. Januar 1947 stellte die Militärverwaltung des Transportwesens Lemberg den Umzeichnungsplan für die Ty2-839 bis Ty2-1169 auf. Erst zum 01.01.1949 folgten auf Anweisung der gleichen Behörde die Nachzügler Ty2-1170 bis Ty2-1209. Bedingt durch immer wieder vorkommende Ab- und Zufuhren von Lok der Reihe 52 durch die sowjetische Besatzungsmacht wurden einige Betriebsnummern der Ty2 doppelt oder gar abweichend von den Umzeichnungsplänen vergeben.
Volkstümlich bezeichnete man die Baureihe 52 in Polen aus „Dwujka“, zu deutsch „Zwei“ oder auch als „Te-Igrek“. Einige Ty2 sind durch Aufziehen neuer breiterer Radreifen für russische Breitspur (1524 mm) hergerichtet worden.
Im Laufe der Nachkriegsjahre unterzog man die Ty2 zahlreichen Bauartänderungen. So erhielten viele Maschinen andere Kesselsicherheitsventile, teilweise unter einer gemeinsamen Blechverkleidung, teilweise aber auch offen liegend. Weiterhin sind zu nennen:
1. Einbau von Achsstellkeilen bei Lok mit Barrenrahmen, Änderung der Feuerbüchse und der Stehbolzenanordnung, um der gefürchteten Faltenbildung beizukommen.
2. Einbau von Schüttelrosten.
3. Versuchsweise Einbau von Feuerbüchssiederohren, die sich allerdings auch hier nicht bewährt haben.
4. Verlegung der Lichtmaschine vom Kesselscheitel auf den Umlauf.
5. Einbau von Abdampfinjektoren.
6. Einbau von Trofimoff-Schiebern.
7. Einbau einer Ölhauptfeuerung in ca. 70 Lokomotiven zwischen 1964 und 1965.
8. Versuchsweiser Einbau einer Kohlevergasung an Ty2-952 und Ty2-1285 im EAW Schneidemühl.
Bei Bialystok explodierte der Kessel von Ty2-128 mit Ölhauptfeuerung am 18. März 1967, ob sich daraus irgendwelche Konsequenzen ergaben, ist nicht bekannt. Ursache dürfte ähnlich den Zerknallen bei der CSD Wassermangel gewesen sein.
Obwohl die Baureihe 52 noch sehr lange in Dienst blieb, verfügte das polnische Verkehrsministerium am 10.03.1974 unter Aktenzeichen CZT4-605-36-74 den Verkauf aller (!) brauchbaren Ersatzteile dieser Baureihe in die DDR. Wie die Instandhaltung künftig in Polen bewerkstelligt wurde, bleibt unklar. Tatsache aber ist, dass die Ty2 und Ty42 bei den PKP noch lange unverzichtbar waren. Sie legten in den siebziger Jahren nicht selten noch 400 und mehr Kilometer Laufleistung am Tag zurück. Die Elektrifizierung des Bahnnetzes kam nicht recht voran, die neu in Dienst gestellten Diesellokomotiven waren ähnlich den Verhältnissen in der DDR sehr störanfällig, so dass die Ty2 und Ty42 nicht aus dem Personen- und Güterverkehr zurückgezogen werden konnten. Das Bw Tarnow fuhr beispielsweise auf der Strecke nach Prokocim einen 2527-Tonnen-Güterzug mit Ty2-963 bei Unterbietung der regulären Fahrzeit um 14 Minuten. Man könnte glauben, in die Zeit der Schwerlastbewegung der DR zurückversetzt zu sein! Noch im Jahre 1989 wurde der Saison-Eilzug „Pegoria“ von Allenstein nach Lyck planmäßig mit einer Ty42 befördert. Nach der politischen Wende in Polen wurde es bald still um die Kriegslok und ihre Nachbauten.

Beispiele (die zugehörigen Lichtbilder sind wegen schlechter Qualität wegglassen:

Wie bei vielen Lokomotiven der Gedob (Generaldirektion der Ostbahn) Krakau ist auch das deutsche Betriebsbuch der 52 200 verschollen. Es gelangte auch nicht wie einige andere nach Westdeutschland. Die noch mit Barrenrahmen versehene Maschine (Schwartztkopff Berlin Fabriknummer 12205 für Rahmen und Kessel) wurde am 14. Januar 1943 angeliefert und einen Tag später beim Raw Brandenburg-West abgenommen. Am 18.01.1943 gelangte sie mit Heimat-Bw Posen über Bw Lublin zur Lokauffangstelle Zdolbunow und weiter zur RVD Dnjepropetrowsk. Im August 1944 beim Bw Lukow nachgewiesen, stand sie zum Zeitpunkt der Umzeichnung 1946/47 auf Ty2-50 bei der Direktion Kattowitz in Dienst.

Auch das Betriebsbuch der 52 2817 fehlt. Die zum Jahreswechsel 1946/47 bei der Direktion Krakau in Ty2-953 umgezeichnete Maschine (Henschel & Sohn Kassel Fabriknummer 28163 für Rahmen und Kessel) wurde am 22.08.1944 angeliefert und der RBD Dresden zugeteilt. Obwohl im Herbst 1945 von keiner Zählung in der sowjetischen Zone Deutschlands erfasst, gelangte diese 52 am 08.02.1946 von der DR nach Polen. Die inzwischen hervorragend aufgearbeitete Ty2 ist bei den PKP noch immer vorhanden.

Nur noch ein Haufen Schrott ist die 1996 fotografierte Ty2-87, die bereits zum 23.03.1970 ausgemustert wurde. Auch hier fehlt das deutsche Betriebsbuch. Als 52 2134 am 10.02.1943 angeliefert (Henschel & Sohn Kassel Fabriknummer 26890 für Rahmen und Kessel), gelangte sie zunächst zur RBD Berlin. Im Januar 1945 bei der RBD Danzig, wanderte diese 52 später zur Direktion Kattowitz weiter und wurde hier 1946/47 umgezeichnet. Deutlich erkennt man auf dem Stehkesselscheitel die großen freistehenden polnischen Sicherheitsventile.

Aus der Sowjetunion kam 1963 die TE-6057, vormals 52 6057 nach Polen. Aus ihr wurde Ty2-1285, die man am 23.07.1992 ausmusterte aber noch lange Zeit als Schrott stehen ließ. Die am 02.07.1943 gelieferte und am 07.07.1943 beim Raw Brandenburg-West abgenommene Lokomotive (Schwartzkopff Berlin Fabriknummer 12498 für Rahmen und Kessel) ging mit Heimat-Bw Posen am Folgetag auf die Reise über Lokauffangstelle Zdolbunow zum Ost-Bw Sinelnikowo. Im September 1945 finden wir sie bei der RBD Regensburg vor, die sie zur RBD Erfurt in die sowjetische Besatzungszone geben muss. Im Juni 1946 bei der Kolonne 19 des Bw Falkenberg nachgewiesen, rollte sie am 08.02.1947 ein zweites Mal in die Sowjetunion ab. Listen der russischen Militärverwaltung enthalten diese Maschine im Jahre 1947 beim Bw Lida als „TE“-6057 (am Führerhaus dürfte TE 52 6057 gestanden haben!).

Auch Ty2-1387 ist aus der Sowjetunion als TE-2277 im Jahre 1963 nach Polen gelangt. Am 04.05.1943 als 52 2277 geliefert, wird sie am 06.05.1943 abgenommen (Henschel & Sohn Kassel 1943/27445 für Rahmen und Kessel) und der RBD Posen zugeteilt. Schon zu deutscher Zeit soll diese 52 einen Tausch- oder Ersatzkessel bekommen haben. Unter Umständen war sie stark kriegsbeschädigt. Entsprechende Unterlagen fehlen leider. Ab 07. August 1944 an die CFR verliehen, verbleibt sie 1945 auf dem Gebiet der Ungarischen Staatsbahnen MAV und wird alsbald nach Russland abgefahren. Listen der Militärtransportabteilungen weisen sie 1948 als „TE“-2277 in Kupjansk nach. 1963 wird sie nach Polen verkauft, wo sie mit einem Tauschkessel eingeht. Auch diese 52 ist noch heute bei den PKP in gutem Erhaltungszustand vorhanden.

Diese Ty3-2 sieht zwar fast wie eine 52 aus, ist aber eine 42 (deutlich am geknickten hochliegenden Umlaufblech erkennbar) mit einer ganz besonderen Geschichte. Leider fehlt auch ihr Betriebsbuch. Es handelt sich um 42 1427, eine Maschine aus dem im Januar 1945 angearbeiteten Schichau-Lieferlos, das von russischen Truppen erbeutet wurde. Die Schichau-Werft in Elbing ist am 23.01.1945 geräumt und einen Tag später von der Roten Armee eingenommen worden, die den sofortigen Weiterbau der in Arbeit befindlichen Normalspurlokomotiven unter ihrer Aufsicht anordnete. Im Februar 1945 ging sie als TL-1427 beim Bw Przemysl für die sowjetische Militärtransportverwaltung in Betrieb. Obwohl erst im Dezember 1947 an die PKP übergeben, erscheint sie im Umzeichnungsplan von 1946 bei der Direktion Danzig. Offenbar war sie inzwischen in ihre Geburtsheimat zurückgekehrt. Zum 18.07.1952 zeichnete das Verkehrsministerium Warschau diese Kriegslok in Ty43-129 um. Sie blieb erhalten und trägt heute wieder die alte Nummer Ty3-2.

Ein ebenso interessanter Fall ist diese Ty42-148, eine „polnische“ Nachbaulok der Reihe 52 (Rahmen Oberschlesische Lokwerke Krenau Fabriknummer 1647, Kessel Ferrum Sosnowitz Fabriknummer 12082). Sie war noch unter deutscher Nummer als 52 4051 vorgesehen, ist dann aber im Juli 1946 als Ty42 an das Bw Malkinia für die russische Transportverwaltung geliefert. Eine andere Quelle nennt als Liefertag den 01.09.1946, die Abnahme soll nach sowjetischen Quellen gar erst zum 12.10.1946 stattgefunden haben, die sie andererseits bis 01.09.1946 als von russischem Transportmilitär beschlagnahmt nennen. Klarheit lässt sich heute nicht mehr schaffen. Um die Verwirrung komplett zu machen: Das polnische Betriebsbuch beginnt bereits im Juli 1946 bei der Direktion Kattowitz, kann jedoch auch später unter vorsätzlicher Vertuschung „russischer“ Vorgeschichte angelegt sein. Im Umzeichnungsplan der PKP erscheint sie verständlicherweise nicht.

Von dieser typischen Wannentender-52 haben wir ebenfalls kein Betriebsbuch. Ty2-929, geliefert am 21.06.1944 als 52 2794 (Henschel & Sohn Kassel Fabriknummer 28358 für Rahmen und Kessel) gelangte neu zur RBD Breslau. Hier war sie noch zur Umzeichnung 1946/47 beheimatet. Die am 01.09.1985 ausgemusterte Maschine blieb noch viele Jahre auf dem Rand stehen.

Vermutlich museal betreut bleibt Ty2-911, die ehemalige 52 1346. Ihr deutsches Betriebsbuch ist erhalten (Sammlung Konstantin Smironow, Lemberg), enthält aber kaum Einträge. Sie wurde am 31.08.1844 geliefert (Rahmen DWM Posen Fabriknummer 813, Kessel Ferrum Sosnowitz Fabriknummer 11473), zum 04.09.1944 beim Raw Posen abgenommen und am Folgetag dem Bw Meseritz der RBD Osten zugeteilt. Ursprünglich war sie für die RBD Stettin vorgesehen. Ihre Probefahrt verlief am 03.09.1944 von Posen nach Lissa und zurück, die Kesseldruckprobe in Posen datiert mit 23.08.1944, die Genehmigungsurkunde wurde zum 01.10.1944 in Frankfurt/Oder ausgestellt. Der Beschaffungspreis ohne Tender belief sich auf 168.500,- Reichsmark. Fabrikneu hatte man sie mit einem Wannentender 2’2’T32 vom MBA Babelsberg Fabriknummer 730436 gekuppelt. Das Betriebsbuch weist keinerlei Ausbesserungen auf, der Betriebsbogen fehlt. Aussagen über Laufleistungen und Einsatz sind deshalb nicht möglich. 1946/47 wurde diese 52 in der Direktion Krakau umgezeichnet.