Eisenbahn allgemein » Fotografieren in Grenzübergangsstellen (Güst)

Nach Erscheinen eines Buches zum Theman Grenzübergangsstelle (Güst) Probstzella bei einem allbekannten süddeutschen Verlag hat sich nunmehr bei Drehscheibe-Online ein sehr interessanter Themenbaum entsponnen. Man lese hier:

Güst Probstzella http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?16,7311824

Ich möchte nicht missverstanden werden. Mir geht es nicht darum, den oder die Autoren des benannten Buches zu diskreditieren oder in eine bestimmte politische Ecke zu drücken. Ich möchte darlegen, wie die Verhältnisse der damaligen Zeit aussahen, denn dies ist vielen vor allem jüngeren Lesern nicht klar, weil sie diese Zeit nicht mehr oder nicht bewusst erlebt haben.

Fotografieren in Grenznähe oder gar in Grenzübergangsstellen war grundsätzlich streng verboten.

Ich erinnere mich an eine DMV-Sonderfahrt im Februar 1986 von Erfurt über Meiningen nach Sonneberg. Vor Eisfeld wurden alle Mitfahrenden im Zug aufgefordert, die Fotoapparate in die Taschen zu packen und sie bis Rauenstein auch in diesen zu lassen. Hintergrund war, dass die Bahnstrecke recht nahe der innerdeutschen Grenze verlief. Recht nahe bedeutete in diesem Falle etwa 2 bis 3 Kilometer entfernt. Die Sperranlagen waren in der Ferne auch gut zu erkennen.

Selbst bei der Herbstsonderfahrt des DMV Erfurt im Septmeber 1982 mussten die Fotoapparate in Höhe Sondershausen-Ost in den Taschen verschwinden, weil die Bahnstrecke an einer NVA-Kasernenanlage vorbeiführte.

In der DDR verstand man bezüglich NVA und Grenztruppenobjketen überhaupt keinen Spaß. Hier herrschte Null Toleranz. Und wer sich nicht an diese Verbote hielt, der wurde von der Stasi durch die Mangel genommen.

Probstzella war wie Gerstungen, Gutenfürst, Oebisfelde oder Dreilinden ein neuralgischer Punkt. Hierhin gelangte kein normaler DDR-Bürger, der nicht dort wohnte. Es gab nur wenige Ausnahmen, wie Besuche von Verwandtschaft oder ggf. auch von Bekannten. Ich selbst hatte 1985 bis 1898 einen Bekannten in Probstzella, den ich dort nicht besuchen durfte. Selbst nach Rücknahme der sogenannten 5-Kilometer-Zone kam man nicht nach Probtszella hinein. Im Gegensatz zu Sonneberg, dass dann zugänglich wurde.

In Probstzella durften weder Eisenbahner, noch Angehörige der Grenztruppen, noch Angehörige der Stasi "einfach so" Fotografien anfertigen. Die Hineinnahme von Fototechnik in die Güst war streng untersagt. Wenn dort Fotos entstanden sind, die gar die Grenzanlagen Richtung Westen (Süden) zeigen, dann wurden diese Fotos von der Staatssicherheit dienstlich angefertigt. Privat war auch dies Stasi-Angehörigen verboten. Das neu erschienene Buch zeigt meines Erachtens Fotografien aus dem Fundus der Staatssicherheit.

Mein Vater war als Fernmeldetechniker bis Anfang 1988 (Renteneintritt) bei der Rbd Erfurt tätig. Er projektierte und betreute unter anderem in den 1980-er Jahren auch Fernmeldeanlagen im Bahnhof Probstzella bis zur sogenannten Staatsgrenze West. Um die Güst überhaupt betreten zu dürfen, musste er eine Sondergenehmigung beantragen und bei Zutritt vorweisen. Er musste sich bei der Kommandantur der Grenztruppen melden, bekam dort den Personalausweis eingezogen, eine Art Zutrittskarte und zwei Grenzsoldaten mit Maschinenpistole und zwei Wachhunde "zugeteilt", die ihn auf Schritt und Tritt be- und überwachten. Als die Begehung den Herrschaften zu lange dauerte, wurde mein Vater in barschem Ton "angepfiffen", er müsse jetzt fertig werden. Worauf mein Vater antwortete, er bestimme wie lange dies hier dauere, und wenn man ihn nicht arbeiten ließe, dann würde er gewisse Herren in der Reichsbahndirektion anrufen. Die beiden "Kapos" nahmen unverzüglich Haltung an und schwiegen fortan.

In Richtung Westgrenze war in Probstzella quasi schon das Hinsehen verboten.

Ich gehe begründet davon aus, dass die im neuen Buch gezeigten "brisanten" Aufnahmen aus dem Fundus der Staatssicherheit (Bezirksverwaltung Dresden) stammen. Unter Umständen ist es dem oder den Autoren gelungen, die Bilder bzw. Negative in den Wendewirren aus dem Bestand der Stasi an sich zu nehmen. Dies wäre durchaus nicht zu verurteilen, ganz im Gegenteil. Ich hätte mir jedoch mehr Ehrlichkeit gewünscht. Das Verschweigen der Zusammenhänge stellt weder Autoren noch Verlag in ein sonderlich gutes Licht. Alles wird wohl für neue und weitreichende Diskussionen sorgen. Ich fürchte, der Verlag hat sich einen Bärendienst erwiesen.

Und wenn der Autor im genannten Bildband wirklich behauptet (ich habe das Buch bis jetzt nicht und kann es nicht prüfen), eine Genehmigung zur Fotografie in der Güst Probstzella erhalten zu haben und sich stundenlang dort ohne Beobachtung und ohne Begleitung habe aufhalten können, so ist dies schlicht die Unwahrheit. Der Autor lügt. Nur warum? Welche Motive hat er für sein Handeln heute?

Nach Herzenslust in Prostzella den Fotoapparat zu schwingen war erst ab 1990 möglich. Zu unser aller Glück.

Wie erwartet schlagen die Wellen zum Thema Güst Probstzella bei DSO hoch. Ich bin gespannt, ob das Thema erhalten bleibt oder wieder einmal einer Löschorgie zum Opfer fällt. Auch bin ich auf die Reaktionen des Süddeutschen Verlages gespannt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass auf die Löschung des gesamten Themas gedrängt wird.

Nein auch 1989 vor der "Wende" waren in den Güst zur (alten) Bundesrepublik Zivilisten keine Fotos gestattet. Absolut nicht. Die Güst waren militärisches Sperr- und Sicherheitsgebiet, ähnlich den Raktenstandorten der Sowjetarmee oder Militärflugplätzen. Illegal gefertigte Aufnahmen von Militärangehörigen gibt es zwar, aber diese blieben die Ausnahme und beschränken sich auf Fotos von den "Kameraden-Genossen" meist auf der Stube oder auf dem Exerzierplatz. Ganze Bahnhofsanlagen fotografisch zu dokumentieren war kreuzgefährlich und wäre auch immer aufgeflogen. Überall standen Wachen.

Die Diskussion ist bei DSO wie zu erwarten war nun auf einen Herren zentriert worden, der beim genannten Süddeutschen Verlag lange in leitender Stellung war. Um Übelstände zu vermeiden, werde ich den Namen hier nicht nennen. Ich kenne diesen Herrn persönlich nicht. Mitte der 1990-er Jahre hatte ich mit ihm allerdings ein äußerst unangehmes Telefongespräch, wobei sein Auftreten, sein Tonfall und seine Wortwahl sehr an das MfS erinnerten. Mir ist auch bekannt, dass genannter Herr über lange Jahre mir gegenüber eine regelrecht feindlich-negative Haltung eingenommen hat und dies ganz sicher auch heute noch tut und diese auch ungeschminkt nach außen trug. Auch im Gefolge der Ereignisse von 1982, als das MfS Erfurt mir einen Archivdiebstahl anhängen wollte, tat sich dieser Herr in unangenehmer Weise im Dunstkeis des Deutschen Modelleisenbahn Verbandes Jena gegen mich hervor. Ich stelle mir noch heute die Frage, ob er in die Angelegenheit verwoben war und finde nach wie vor keine Antwort.

Herr F. (nennen wir ihn so) hat mehrfach behauptet, Lokheizer und-oder Lokführer beim Bw Gera zu Dampfzeiten gewesen zu sein. Dies stimmt nachweislich nicht. Keiner kennt Herrn F. in einer solchen Funktion, weder in Gera, noch in Glauchau, noch in Zwickau, noch in Saalfeld. Später schrieb Herr F., er sei während seiner Studienzeit Hilfsheizer beim Bw Gera gewesen. Nein, auch dass stimmt nicht, Studentenheizer gab es bei der DR nicht, sondern ausschließlich bei der DB am Ende der Dampflokzeit, als großer Heizermangel herrschte. Ob Herr F. nun Militärstaatsanwalt war, ich weiß es nicht. Mehrfach und glaubhaft wurde mir berichtet, er sei bis Ende 1989 Staatsanwalt in Gera gewesen. Dies dürfte die Wahrheit treffen. Als Staatsanwalt hatte man - genauso wie etwa ein Kombinatsdirektor - ständig Kontakt zur Staatssicherheit. Und zwar ob man wollte oder nicht. Dieser Sachverhalt sagt über den Charakter eines Menschen zunächst gar nichts aus. Entscheidend war, wie man den Kontakt gestaltet hat. Man konnte wahrheitsgemäß über Mißstände berichten, man konnte aber auch mißliebige Personen gezielt denunzieren. Es gab solche und solche Zeitgenossen. Ich werde mich allerdings hüten, Herrn F. einer bestimmten Kategorie zuzuordnen.

Wenn Herr F. heute einen Bildband über den Bahnhof und die Güst Probstzella publiziert, ist dies nicht anrüchig. Er hat sicherlich ein gutes Recht dazu. Er hätte aber auch die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Darstellung etwa der Bildquellen. Und an der wahrheitsgemäßen Darstellung zweifle ich erheblich. Ich sage sogar, nein so war es nicht. Herr F. hat nicht einfach den Fotoapparat nehmen und in der Güst herumspazieren (herum"spatz"ieren) können. Völlig an der Realität vorbei! Immer noch stellt sich die Frage, warum tut der Buchautor dies? Warum bindet er den Lesern einen solchen Bären auf? Ist ihm überhaupt nicht klar, dass es Menschen gibt, die kritisch hinterfragen und dazu auch ein Recht haben?

Seit Entmachtung der Stasi sind mehr als 25 Jahre vergangen. Allerdings sind die Schatten dieses Apparates lang. Und entgegen einiger Darstellungen bei DSO möchte ich auch vor der posthumen Verharmlosung des MfS warnen. Es war Schild und Schwert der Partei. Es war ein Willkürapparat in dem nur zu oft gesetztliches Vakuum herrschte. Es war Teil und Erfüllungsgehilfe eines stalinistischen bzw.poststalinistischen diktatorischen Systems, welches an seinem Ende nichts aber auch gar nichts mehr mit den Gedanken eines Sozialismus nach Marx und Engels gemein hatte. Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive war der DDR fremd. Vergessen wir dies bitte bei unseren Betrachtungen nicht. Diese meine Ausführungen richten sich auch an "Dieter von der HvM" (Klarname bekannt), der immer und immer wieder die DDR in "Eia-Popeia-Manier" schönfärberisch verklärt nach dem Motto: Wer nicht gegen die Gesetze der DDR verstoßen hat, dem ist auch in der DDR nichts passiert. Und alle anderen waren eben Kriminelle.

Ich und nicht nur ich erlebe heute sehr unangenehm, dass einstige Stasi-Bonzen aus den Löchern kriechen. Meist hochbetragt, mit geschwollener Brust, uneinsichtig, unbelehrbar und frech. Für alle Taten außer Mord ist Verjährung eingetreten. Die Herrschaften haben nichts mehr zu befürchten. Also werden manche von ihnen unverschämt. Sie drohen mit Verleumdungsklagen. Stasi dürfe man nicht sagen, das sei ein Schimpfwort. Schließlich sei die DDR von mehr als 100 Staaten völkerrechtlich anerkannt gewesen. Das MfS war ein rechtmäßiges Schutz- und Sicherheitsorgan dieser international anerkannten DDR. Es heißt Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik! Stasi sei ein Schimpfwort und würde die Angehörigen auf eine Stufe mit der Gestapo stellen. Mir persönlich sind mehrere Fälle bekannt, in denen Stasi-Bonzen wortkritische Bürger mit Verleumdungsklagen überzogen haben. Ausgang nach wie vor ungewiß.

Ich bin gespannt, wie die Diskussion bei DSO weiter geht.